Von Schrempf zu Simmons: Der Basketball, die NBA und ich - eine Retrospektive.

 
Basketball begleitet mich seit ca. 1995. Zuvor war mir der Sport zwar bekannt, spielte aber keine größere Rolle. In einer Kleinstadt vor den Toren Berlins aufwachsend war Fußball prägend – überall wurde gekickt und ich selbst begann in der C-Jungend mit dem Ball am Fuß. Dennoch weckte das orangene Leder mein Interesse, weil meine Klassenkameradin und gute Freundin Landesauswahlspielerin war. Zusammen dominierten wir im Zweier-Mix-Team sogar das ein oder andere Schulsportfest: Den Ball bringen, sauber abspielen und sie machen lassen, check. Fortan stieg das Interesse. Dennoch blieb ich dem Fußball treu. Auch, weil es kaum Möglichkeiten im Ort gab, Basketball zu spielen und ich davon ausging, dass ich mit meinem Isaiah-Thomas-Gardemaß ohnehin nicht geeignet sei – obwohl ich schon von Muggsy Bogues hörte. Anyway.

Die NBA übernimmt dank Detlef

Mit damals 14 Jahren erfuhr ich dann durch Inside NBA und die Bravo Sport von Detlef Schrempf – einem Deutschen, der zusammen mit Highflyer Shawn Kemp und Großmaul Gary Payton die NBA rockte. Der Leverkusener, der 1985 gemeinsam mit Uwe Blab in die Liga kam, war nicht nur der einzige Deutsche Mitte der Neunziger (klammert man Shawn Bradley mal aus), er war auch Leistungsträger der Seattle SuperSonics und somit wohl für viele hierzulande der Türöffner. In der Saison 95/96 legte der dreimalige All-Star 17.1 Punkte, 5.2 Rebounds und 4.4 Assists auf – sein Allround-Game passte ideal zu den beiden Stars im Team von George Karl: Die SuperSonics waren frisch und in ihrem kessen Auftreten der sympathische Gegenentwurf zu den übergroßen Chicago Bulls um Michael Jorden. Dass es ausgerechnet ein Deutscher mit den 72-Siege-Bulls in den Finals aufnahm, war etwas Besonderes und ließ mich im Juni 1996 regelmäßig den Wecker stellen. Damals genügte es, den Fernseher einzuschalten – begleitet vom jungen Frank Buschmann konnten Fans die NBA-Finals live im DSF verfolgen (Spiel 6 in voller Länge auf youtube.com). Ein Muss, für das ich gern auf Schlaf verzichtete. Im sechsten Spiel war 'Det, the Threat' sogar Topscorer. Leider reichten seine 23 Punkte nicht, sodass die Bulls ihre damalige Rekordsaison mit dem Titel krönten.

Ein SuperSonics-Sticker auf dem Schul-Rucksack, T-Shirts und die ersten Mix-Tapes auf Videokassette – Detlef Schrempf war der Anfang, lange vor dem Internet für jedermann. Basketball und vor allem die NBA wurden schnell zur ersten Liebe. Ein absolutes Highlight fand im September 1997 in Berlin statt: Nike brachte NBA-Stars als Hoop Heroes für ein Promotion-Spiel gegen eine nationale Auswahl in die Max-Schmeling-Halle. Die Karten war gekauft, ein No-Brainer - sogar direkt hinter'm Korb. So sahen wir u.a. Charles Barkley, Gary Payton, Scottie Pippen, Jason Kidd, Reggie Miller, Vin Baker und Shareef-Abdur Rahim aus nächster Nähe (Spiel-Highlights auf youtube.com). Und Frank Buschmann, der sich ebenso den Neunzigern hingab, wie ich (Foto). Aufseiten der Deutschen stach ein junger Würzburger namens Dirk Nowitzki als Topscorer des Spiels heraus (Der Tagesspiegel rückblickend auf das Spiel).

Stilistisch angemessen: Frank Buschmann (r.) und ich am 15.09.1997 in der Max-Schmeling-Halle vor dem Spiel.

 

Die späten Neunziger - Zeit für eine Entscheidung

Die NBA packte mich jetzt so richtig – das Spiel, die Persönlichkeiten und Geschichten. Ende der Neunziger gab es neben den SuperSonics weitere spannende Teams – die Draftjahrgänge 1995 und 1996 spülten frische und äußerst interessante Talente in die Liga. In den folgenden Jahren fand ich die Minnesota Timberwolves um Kevin Garnett und Stephon Marbury spannend – die Energie von KG und das Game von Marbury waren neu.

Noch mehr fesselte mich aber eine andere #3: Allen Iverson. Der kleine Guard beeindruckte mich mit seinem furchtlosen Spiel und sorgte dafür, dass die 76ers den Zuschlag bekamen – sie wurden mein Team. Schon Jerry Stackhouse, der ein Jahr vor Iverson in die Liga kam, lenkte meine Aufmerksamkeit auf das Team aus Philadelphia. Iverson verstärkte diese enorm und der Playoff-Einzug 1999 machten für mich den Deckel drauf. Im Jahr 2001 dann der vorläufige Höhepunkt – das Enfant terrible mit der HipHop-Attitüde, den Cornrows und Tattoos führte die Sixers quasi im Alleingang in die Finals: Ligaführende 31.1 Punkte und 2.5 Steals pro Spiel brachten ihm zudem den MVP-Titel in die heimische Vitrine. Ein Auftaktsieg und der legendäre Stepover (siehe hier auf youtube.com) gegen unschlagbare Shaq-Kobe-Lakers blieben hängen. 

Es sollte die einzige Finalteilnahme bleiben. In den Jahren danach stießen u.a. Chris Webber und Andre Iguodala zum Team – die Sixers blieben spannend. Auch nach Iversons Abschied, denn der Neuaufbau mit Iggy und Rookie Thad Young sowie Neuzugang Elton Brand kam vielversprechend daher. Als noch Evan Turner und Jrue Holiday im Jahr darauf hinzukamen, sah die Zukunft rosig aus. Allerdings nur kurz. Wenig später wurde es dunkel in der Stadt der brüderlichen Liebe – Iggy wurde getradet und Neuzugang Andrew Bynum kam nie wirklich in Philly an. Im Jahr 2013 übernahm Sam Hinkie. Was folgte, ist als Process bekannt geworden – eine harte Probe für alle Sixers-Fans. Heute erntet die Traditionsfranchise die Früchte seiner bisweilen fragwürdigen Entscheidungen: Im Februar 2021, vor dem Allstar-Break grüßen die Sixers von Platz 1 im Osten – das gab es zuletzt in der Saison 2000/2001. Damals, als sie die Finals erreichten, Iverson MVP und Mutombo DPOY wurden.

Mittlerweile von Doc Rivers gecoacht, macht die Mannschaft von heute die dunklen Jahre der vielen, einkalkulierten Niederlagen während des Process vergessen. Das weckt Erwartungen – die Finals sind möglich, der Weg jedoch noch weit. Aber vielleicht wiederholt sich Basketballgeschichte, denn Joel Embiid spielt eine beeindruckende MVP-Saison und mein Favorite-Sixer Ben Simmons ist legitimer DPOY-Kandidat (MVP-Ladder, DPOY-Ladder).

Die NBA ist angekommen und nicht mehr wegzudenken

All dies lässt sich mittlerweile bequem verfolgen. Zwar nicht mehr im frei-empfangbaren Fernsehen wie 1996 – mit dem NBA-LeaguePass oder DAZN stehen aber erschwingliche Möglichkeiten zur Verfügung, unseren Lieblingssport im Bewegtbild zu genießen. Auch youtube, Twitter, Facebook oder Instagram bieten schier unbegrenzten Inhalt, und das kostenfrei. So ist die NBA omnipräsent – das Produkt funktioniert und ist auf sämtlichen Kanälen exzellent aufbereitet. Zudem bringen unzählige Angebote im deutschsprachigen Raum die beste Liga der Welt auf die heimischen Endgeräte: Von professionell-journalistischen Medienerzeugnissen bis hin zu selbstproduzierten Video-Brakedowns oder Podcasts von Fans und Nerds – die NBA beschäftigt und begeistert einfach.

Mich seit nunmehr einem viertel Jahrhundert. Auch, weil sich die Liga und vor allem deren Protagonisten immer wieder zu gesellschaftlich-relevanten Fragestellungen positionieren: „Shut up and dribble“ wird es in der NBA nicht geben und das ist gut so. Ob Superstars wie LeBron James, Coaches wie Gregg Popovich und Steve Kerr oder Rollenspieler wie JJ Redick: Sie alle haben eine Stimme und nutzen diese auch! 

So ist die NBA jederzeit und immer wieder Thema – auf dem Freiplatz, in der Hallenumkleide oder am Mittagstisch in der Kantine.

Und Detlef Schrempf? Mein Held der ersten Stunden? Der engagiert sich mit seiner Kampagne „Erase the Hate“ (siehe hier auf detlef.com) gegen Rassismus, Polizeigewalt und Hass – zusammen mit anderen Größen des besten Sports der Welt. So muss das, Punkt! 

marcel

 

Fakten: Detlef Schrempf auf basketball-reference.com, Allen Iverson auf basketball-reference.com

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