Schlaflos in Massachusetts



Die Boston Celtics stecken in einer mittelschweren Krise. Waren sie noch gut in die Saison gekommen und standen Ende Januar bei 10-6, so weisen sie nun eine ausgeglichene Bilanz (13-13) auf. Der vorläufige Tiefpunkt war der Offenbarungseid gegen bisher chronisch erfolglose Hauptstädter (7-17). Dabei hatte alles so gut angefangen.

Nach einer erfolgreichen Saison in Massachusetts inklusive Eastern-Conference-Finals konnte man die offensichtlichen Baustellen im Kader konsequent angehen – die Kobolde gehörten gemeinhin zu den Gewinnern der Offseason: So konnten sie mit Tristan Thompson einen Center begrüßen, der Defense, Härte und Rebounds in seinem Portfolio zu stehen hat. Zudem hat der Mann einen Ring und nach Jahren in den Niederungen der NBA etwas zu beweisen. Der äußerst begehrte Jeff Teague kam ebenfalls in den Nordosten. Der Veteran galt als idealer Backup für Kemba Walker. Doch nicht nur die Zugänge ließen gutes erahnen. Auch die Tatsache, Gordon Hayward nicht gehalten zu haben, galt als kluge Entscheidung – zumindest nicht zu den Konditionen, die er nun in Charlotte (4 Jahre, $120 Millionen) genießt.

Garniert von jungen Talenten auf allen Positionen und der Tatsache, dass die beiden Stars auf dem Flügel noch einen weiteren Schritt nach vorn machen würden, konnte man trotz anfänglichen Fehlens von Walker äußerst optimistisch in die neue Saison gehen. Zudem hat Danny Ainge noch einen Notfallkoffer im Büro stehen: Der ist prall gefüllt mit Picks und der 28,5 Millionen Dollar großen Trade-Exception. Nur für den Fall. Ach ja, und Tacko Fall haben sie auch.

Mitte Februar sieht die grün-weiße Welt jedoch nicht mehr so rosig aus. Niederlagen gegen starke Teams wie die Lakers, Suns oder Jazz sind nachvollziehbar – gegen die Pistons oder Wizards tun aber weh. Und dabei geht es eher um das wie.

Zwar agieren Brown (26 Punkte, 5.7 Rebounds, 3.4 Assists) und Tatum (25.6, 7.1, 4.5) statistisch gesehen auf Allstar-Niveau. Kemba Walker (16.3, 3.9, 4) ist aber meilenweit davon entfernt. Und Jeff Teague? Der scheint beim Umzug nach Bosten etwas in Atlanta vergessen zu haben. Vermutlich sein Game: Denn in knapp 17 Minuten steuert er nur 5.5 Punkte, 2 Assists bei einem Turnover bei. Da haben sich Brad Stevens und die Celtics wahrscheinlich mehr erhofft. Wohl auch von Tristan Thompson, der lediglich 6.6 Punkte, 8.2 Rebounds und nicht einmal einen Block oder Steal pro Spiel verzeichnet. Dagegen spielt Daniel Theis wieder einmal eine sehr solide Saison bisher – der Bigmen aus Salzgitter bringt 9.3 Punkte, 5.1 Rebounds und einen Block mit ein. Zudem trifft er gute 39.7% seiner 2.2 Dreierversuche pro Spiel. Noch erfreulicher war die Entwicklung von Marcus Smart. Das Herz und der Pitbull der Celtics verbuchte bis zu seiner Verletzung starke 13.1 Punkte und 6.1 Assists – beides Karrierehöchstwerte.

Doch unabhängig von den individuellen Leistungen der Hauptakteure macht dem Caoch etwas ganz anderes zu schaffen: „The two areas that kept me up at night were our lack of ball movement and inconsistences of our defense“.

Beides zeigte sich bei der Niederlage in Washington im besonderen Maße: Nur 14 Assists verteilten die Gäste aus Boston, was einem Verfechter vom Teambasketball, wie Brad Stevens es ist, schwer im Magen liegen muss. Insgesamt rangieren sie in dieser Kategorie ligaweit am hinteren Ende (#28). Und defensiv waren tatsächlich einige Aussetzer zu beobachten – die Verteidigung wirkte unabgestimmt und unaufmerksam. Mit leichten Plays kamen die Wizards um Beal und Westbrook zu einfachen Punkten. Generell rangieren die Celtics im Mittelfeld beim Defensiv-Rating (#15), erlauben dem Gegner aus dem Zweipunktbereich eine Trefferquote von 54% (#22) und sind am defensiven Brett reboundschwach (#26).

Schwenkt man den Scheinwerfer nochmal auf das offensive Ende des Feldes, so zeigen sich auch hier einige Fragezeichen. Das fehlende Teamplay können elitäre Scorer wie Tatum und Brown zwar immer ausgleichen. Allerdings sind solche Aktionen von gegnerischen Verteidigungen einfach zu lesen – vor allem in den Playoffs. Ein Offensiv-Rating von 111.8 (#17) und eine Pace von lediglich 98.4 (#23) zeugen ebenfalls nicht von den Celtics, wie sie die Fans und Verantwortlichen gern sehen würden. Dass sie zudem nur 32.7 Versuche von Downtown pro Spiel (#22) verzeichnen, spricht für fehlendes Spacing und Shooting – zumindest treffen sie ihre Dreier mit 38% recht solide (#9). Alles in allem eine Melange an Problemen, die den Blick ins Frontoffice schweifen lassen.

Das Notfallköfferchen des Danny Ainge

Liegt es ausschließlich am Fehlen von Marcus Smart oder braucht es andere Lösungen als auf seine Rückkehr zu warten? Sicherlich, der 26jährige Komboguard bringt vieles mit, was den Celtics zurzeit abgeht. Doch an den grundsätzlichen Problemen kann auch er nichts ändern. Bleibt also noch die Möglichkeit, Kaderanpassungen vor zu nehmen. Dabei kommt den Celtics die Trade-Exception sehr entgegen. Bleibt nur die Frage: Wen braucht man und wen kann man bekommen?

Mit Blick auf die oben skizzierten Probleme braucht es also einen Spieler, der überall punkten kann, den Dreier trifft, smart verteidigt und sekundäres Playmaking einbringt. Klingt nach jemandem, den sie letzte Saison noch im Kader hatten: Gordon Hayward. Gut, das Kapitel ist nun Vergangenheit. Also Blick nach vorn.

Vielleicht genügt auch schon ein mobiler Bigmen, der am offensiven Brett nicht unbedarft agiert und so Platz für die Schützen der Celtics schaffen kann. Wenn er dann noch ein guter Passgeber und passabler Verteidiger wäre…wie geht’s eigentlich Al Horford in Oklahoma?

Oder man beschränkt sich auf einen weiteren Schützen als zusätzliche Scoring-Option, wie beispielsweise JJ Redick?

Es gäbe viele Spieler, die den Celtics adhoc helfen könnten. Nur sind diese auch zu bekommen? Die Trade-Exception in Verbindung mit einer Handvoll Picks können dabei natürlich helfen. Allerdings gibt es bei den Teams, die zurzeit um die Lottery spielen und/oder den Neuaufbau vor der Nase haben kaum Profis, die dem Profil entsprächen und zugleich abkömmlich sind. An dieser Stelle kommen die Trade-Machine-Freunde zum Zug.

Es wird wohl weitere schlaflose Nächte in Boston geben – nun auch im Frontoffice. Ob Danny Ainge aktiv wird, bleibt abzuwarten. Grundsätzlich hat das Team aber die Qualität, besseren und erfolgreicheren Basketball zu spielen. 

marcel


Fakten: Boston Celtics auf basketball-reference.com

Zitat von Brad Stevens: The Providence Journal (12.02.2021)

Titelfoto: © Getty Images


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