Die Miami Heat: Eine Liebeserklärung an die Kultur!

Am 11. Oktober 2020 endete für die Miami Heat eine verrückte Saison. Denn an dem Tag verloren sie Spiel sechs mit 93:106 und unterlagen in Disney-World den L.A. Lakers in den s.g. Bubble-Finals. Die Heat in den Finals 2020? Ein absoluter Erfolg. Dass sie überhaupt soweit kamen, glich einer Sensation nachdem sie die coronabedingt chaotische Regular-Season auf Platz fünf abschlossen. In den Playoffs funktionierte das Team von Coach Erik Spoelstra dann in beängstigender Weise: Weder die Pacers (4:0), noch die Bucks (4:1) oder die Celtics (4:2) konnten die Mannschaft stoppen, in der Jimmy Butler (22.2 Punkte), Goran Dragic (19.1) und Bam Adebayo die Topscorer während der Playoffs waren.

Eine sehr kurze Offseason sorgte dann für eine holprige Folgesaison am South Beach. Wichtige Spieler verpassten zahlreiche Partien und die im Vorjahr so gut aufspielenden Jungprofis konnten ihre Leistungen nicht bestätigen. Nach Platz sechs und dem krachenden Erstrundenaus (0:4) gegen den späteren Meister aus Milwaukee stand ein arbeitsreicher Sommer für Pat Riley an. Und in dem scheint das Front-Office einiges richtig gemacht zu haben.

Denn heute grüßen die Miami Heat mit einer Bilanz von 46-24 von der Tabellenspitze (Stand: 18.03.22). Und das ist aus mehreren Gründen erstaunlich:

  • Die Heat haben bei allem Respekt für Jimmy Butler keinen absoluten Megastar mit MVP-Vibes, der die Mannschaft trägt. Die Scoring-Last verteilt sich auf mehrere Schultern, wobei Butler mit 21.1 Punkten pro Spiel noch voran geht. Ihm folgt Tyler Herro, der von der Bank kommend 21.0 Punkte pro Spiel auflegt, und Bam Adebayo mit 19.0 Punkten. Ansonsten scoren noch Kyle Lowry (12.6), Duncan Robinson (11.2) und Max Strus (10.7) zweistellig. 
  • Dass Butler allerdings 22, Adebayo 25 oder Lowry 17 der bisher 70 gespielten Partien verpassten, macht die Sache noch erstaunlicher. Die meisten Spiele absolvierten in Duncan Robinson (67), PJ Tucker (62) oder Gabe Vincent (60) keine absoluten Leistungsträger.
    Und Victor Oladipo? Der stand nach langer Verletzungspause erst vier Spiele auf dem Parkett.

  • Zudem befinden sich in der aktuellen Mannschaft acht Spieler, die nicht gedraftet wurden. Also Akteure, die durch das Raster gefallen sind und in Miami nun einen Platz sowie ihre Rolle gefunden haben. Etwas, dass die Heat-Verantwortlichen Jahr für Jahr zu schaffen scheinen – sie zaubern Spieler aus dem Hut, die niemand auf dem Zettel hatte und machen aus ihnen wertvolle Rollenspieler. So, wie beispielsweise Max Strus, Omer Yurtseven oder Gabe Vincent und Caleb Martin.
  • Die Leistungsträger sind bis auf Adebayo alle jenseits der 30 und die Saison ist lang. Ob das mit den zahlreichen Ausfällen in Verbindung steht, bleibt offen. Fakt ist: Dieses Team ist für die Playoffs gemacht – umso erstaunlicher, dass es dennoch auf eins steht. Aber Lowry brachte es auf den Punkt: „I’ve been in the regular season and I’ve gotten the one seed and gotten swept, gotten the two seed, and gotten swept. So I just know the regular season is one of those times.
  • Und an dem Tabellenplatz wird sich wohl auch nichts mehr ändern, da die Heat den viertleichtesten Restspielplan haben, was im Umkehrschluss bedeutet, dass der bisherige recht kernig war.
  • Trotz des Alters so mancher Akteure und die Tatsache, dass nur wenige konstant zur Verfügung standen, führen die Heat die Liga in aufgenommenen Charges an – und das nicht knapp: Ganze 101mal gelang dies Lowry & Co., gefolgt von den Rockets mit 54.

Diese Statistik und das gesamte Mannschaftsgefüge zeichnet ein Bild, bei dem man schnell zum prägenden Begriff in Miami kommt: Die Heat-Culture. Etwas, das immer wieder genannt wird, wenn das Besondere in Verbindung mit dem Erfolg am South-Beach beschrieben werden soll. Nur was macht diese Kultur aus?

Am besten kann es wohl der Mann beschreiben, der die Heat-Culture wie kein zweiter lebt, präsentiert und weitergibt: Udonis Haslem.
Er ist mittlerweile der Gatekeeper der Heat-Culture. Seit nunmehr 18 Jahren spielt der in Miami geborene, aufgewachsene und zum Collage gegangene sowie ungedraftete Foward bei den Heat. Er lebt die von Pat Riley sowie Erik Spoelstra etablierte Teamkultur und trägt sie nun weiter. 

Im Oktober 2021 sagte er dazu: „They give me the keys and they trust me. And I handle it. There’s no doubt in their minds...I’ve earned this respect and I take it very seriously. I’m 41 years old, man. I walk in the locker room and I’m 223 pounds and have six percent body fat.

Auf die Frage, was die Heat-Culture nun genau sei, antwortete er: „It’s a lifestyle, bro. You can’t just tap in when the season start and tap back out when it’s over. That’s how yo ass get hurt next year in training camp. You pretty much have to stay in shape year around...Heat Culture is discipline, accountability, work ethic and enjoying somebody else’s success.

Und damit bringt es der OG auf den Punkt: Alle Spieler sind körperlich auf dem höchsten Level, mental bereit und geben ihre Egos am Eingang der FTX Arena ab. Und all das erfordert harte Arbeit und unfassbare Disziplin.
Wie sich das in der Trainingspraxis zeigt, erläuterte Haslem anhand des berüchtigten Heat-Drills: „Suicides. We have a conditioning test where you run five 10s and you have a minute. You start on the baseline (he begins counting to 10 back and forth) and you go up and back. You get two minutes rest and then you do it again. We do that five times. Nobody else in the league can do that. No one’s doing that. And it has nothing to do with basketball: it’s all mental. We just want to see who is going to push and who’s going to break. It’s not basketball at all, you are not doing that in games. It’s a mental test. We don’t want no mental midgets and we don’t need energy vampires. We do that before we even start training camp.

Es muss nicht erwähnt werden, dass er diesen Jahr für Jahr selbst besteht. So auch vor dieser Saison, in der er bisher lediglich neun Spiele mit durchschnittlich 6.3 Minuten absolvierte. So viel mehr werden wohl auch nicht dazu kommen. Sein Wert liegt mittlerweile ohnehin woanders – er ist Mentor für die Jungen, ist Orientierung für die Neuen und Vorbild für alle im Heat-Jersey: Er ist die Heat-Culture in Person.

So dürfte es nicht überraschen, wenn Fans und Experten im Sommer auf ihre digitalen Endgeräten schauen und die Miami Heat Finals-Basketball spielen sehen. So, wie 2020.

Und obwohl sie trotz oben genannter Punkte souveräner Tabellenführer sind, fliegen sie weiterhin unter dem Radar. Auch mit einem DPoY-Kandidaten sowie dem SMoY-Favoriten im Team und einem der besten NBA-Trainer an der Seitenlinie. Den Heat wird es egal sein – sie arbeiten beständig weiter und wer weiß, vielleicht hebt der OG tatsächlich noch einmal die Larry O’Brien-Tophy gen Hallendecke.

marcel

 

Interview mit Udonis Haslem: "The Gatekeeper of Miami Heat Culture" (GQ; 27.10.2021)

 

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