Der Rebuild und das danach: Die Grizzlies und Pelicans im Vergleich

Festwochen und Feelgood-Vibes in Memphis inklusive Jersey-Retirement von Z-Bo (hier im Video) – Frust und Ratlosigkeit in New Orleans, auch wenn der wilde Gamewinner von Devonte‘ Graham gegen Oklahoma City (hier im Video) die Stimmung etwas aufhellte. Die Gefühlslagen könnten nach ca. 30 Saisonspielen unterschiedlicher nicht sein. So grüßen die Pels aus dem Tabellenkeller, während sich die Grizzlies auf Playoff-Kurs befinden. Dabei waren beide Franchises einst im Gleichschritt unterwegs Richtung rosiger Zukunft.
Die sollte im Jahr 2019 beginnen, als die Pelicans wie auch die Grizzlies ihren jeweiligen Franchiseplayer zogen. Beide Teams kurbelten fortan den Rebuild an und galten als gute Beispiele eines gelungenen Neustarts. Dass beide zudem in der Southwest-Division und jeweils in einem kleinen Markt beheimatet sind, soll an dieser Stelle mal einen Vergleich erlauben. Also ab die Post…

Medial intensiver begleitet galten die Pels damals im Rausch des Zion-Hypes sogar als Playoff-Team und Rebuild-Vorzeigeexemplar. Den Grizzlies dagegen fehlten einigen Experten zufolge die Substanz, die Talentbreite im Kader.
Heute stellt sich die Situation etwas anders dar. Doch der Reihe nach – werfen wir erst einen kurzen Blick zurück. Beginnend am Golf von Mexiko, anschließend weiter nördlich am Mississippi:

Im Jahr 2012 begann mit der Ankunft von Anthony Davis eine neue Zeitrechnung im Big Easy. So dachte man zumindest. Die Pelicans schafften es jedoch nicht, ihrer MVP-kalibrigen Monobraue einen nachhaltig erfolgsversprechenden Supporting-Cast zur Seite zu stellen – ob Jrue Holiday, Tony Allen, DeMarcus Cousins, Rajon Rondo oder Nikola Mirotic: Das Highlight blieb der Zweitrundeneinzug in den Playoffs 2018.

Die schwere Verletzung von Cousins, die trübe Perspektive, das zu klein gewordene New Orleans und ein neuer Berater – der Star wollte letztendlich weg und verschwieg sein Wunschziel nicht. Dem verlieh er gegen Ende der Saison 2018/19 zunehmend Nachdruck, bis er schließlich „verletzt“ aussetzen musste. Das deutliche Verpassen der Playoffs wurde immerhin mit dem Lottery-Glück belohnt: Die Pelikane durften 2019 an erster Stelle ziehen und wählten erwartungsgemäß Zion Williamson. 

Zeit also für den endgültigen Neustart, sodass sich New Orleans schließlich für einen Trade von Davis entschied. Die Lakers konnten das umfangreichste Paket bieten und schickten neben Brandon Ingram, Josh Hart und Lonzo Ball noch drei Firstrounder nach New Orleans, sodass in jenem Sommer neben Nickeil Alexander-Walker (17. Pick) auch noch Jaxson Hayes (8. Pick) das Pelicans-Cap aufsetzen konnte. 

Schlagartig hatte die Franchise wieder eine Perspektive nach dem Turnaround – dem Rebuild auf der Überholspur. Mittlerweile ist der Weg zurück in die Playoffs ordentlich ins Stocken geraten und die Pels stehen gar auf dem Standstreifen, um im Bilde zu bleiben. Denn heute grüßt das Team mit einer Bilanz von 9-21 vom vorletzten Platz der Western-Conference (16.12.2021) und David Griffin muss sich einige Fragen nach so mancher Entscheidung gefallen lassen. Der Architekt des ausgebremsten Neustarts schaffte es nicht, das Team sinnvoll zu verstärken. Schlimmer noch: Er verlor Lonzo Ball und Jrue Holiday ohne nennenswerten Gegenwert. Zudem gab er beim Trade von JJ Redick eine fragwürdige Figur ab (SportsIllustrated: "JJ Redick Criticizes Pelicans' Handling of Deadline Trade to Mavericks"). Erfahrene bzw. gute Rollenspieler sind nach den Abgängen von Julius Randle, Eric Bledsoe, Steven Adams oder James Johnson und Derrick Favors nun Mangelware im Team von Neucoach Willie Green. Lediglich Jonas Valančiūnas und Garrett Temple können auf mehr als fünf NBA-Jahre zurückblicken. Zu wenig, um einen jungen, wenngleich elitär-guten Zweimann-Kern voran zu bringen. Umso mehr, wenn der zentrale Spieler erneut verletzungsbedingt fehlt – und das schon seit Saisonbeginn. Es ist mittlerweile die zweite längere Pause von Zion Williamson in seinem dritten Jahr. Zweifel ob der NBA-Tauglichkeit seines Körpers sind nicht neu – erhalten aber nun neues Futter. So ist es noch immer fraglich, wann er wieder auf dem Hartholz zu sehen sein wird und ob überhaupt noch in dieser Saison, zumal Shams Charania eine wochenlange Verzögerung im Heilungsprozess meldete (Tweet dazu).

Mit Blick auf die Tabelle können die Verantwortlichen also bereits erste Scouts zu den Top-Prospects der kommenden Draft schicken. Denn nur so scheint es mit dem Kader voranzugehen. Es sei denn, ein Trade bringt Veränderung. FreeAgents werden dagegen wohl keine Rolle spielen. Denn schon jetzt ist der Kader recht teuer. Und er wird teurer – als Beispiel sei 2022/23 angeführt: Dort stehen bereits $116,5 Millionen für 14 Spieler in den Büchern. Will New Orleans auch Zion Williamson langfristig an sich binden, ist die Luxus-Steuer wohl nicht zu vermeiden. Es bleibt also einerseits zu beobachten, wie sich Zion entwickelt und gleichzeitig abzuwarten, wie tief Besitzerin Gayle Benson in das Portemonnaie greifen kann und möchte.


Verlassen wir den Big Easy und fahren die Interstate 55 ca. sechs Stunden gen Norden nach Memphis. Dort markierte der Sommer 2017 den Anfang vom Ende und somit vom Neuaufbau. Damals verließen die Grit-and-Grind-Heroen Zach Randolph und Tony Allen das Team aus Tennessee. In der Saison darauf verletzte sich Mike Conley Jr. nach nur zwölf Spielen so schwer, dass er die restliche Saison aussetzen musste. Mit Marc Gasol und Tyreke Evans sowie dem verletzungsanfälligen Chandler Parsons waren nicht mehr als 22 Siege drin, sodass Memphis erstmals seit sieben Jahren die Playoffs verpasste. 

In der darauffolgenden Saison wurde dann endgültig der Rebuild eingeläutet. Während des Drafts zog Memphis an 4. Stelle den hochveranlagten Stretch-Big Jaren Jackson Jr. und schickte im Laufe der Saison den Two-Way-Premium-Center Marc Gasol nach Toronto – im Gegenzug für den etwas in die Jahre gekommenen Spanier zogen C.J. Miles, Delon Wright und Jonas Valančiūnas nach Memphis. Letzterer läuft heute bekanntermaßen im Pels-Jersey auf.
Mike Conley Jr. blieb zunächst als einziger vom Grit-and-Grind-Kern übrig – die Grizzlies beendeten mit ihm die Saison, verpassten aber erneut die Playoffs. Im Sommer 2019 wurde schließlich auch Conley getradet – es ging für ihn nach Utah, wo der beliebte Musterprofi endlich mal zum All-Star nominiert wurde. Zusätzlich zu Rollenspielern wechselte auch ein Firstrounder 2020 nach Memphis.
Neben diesem abschließend wirkenden Trade war das Losglück entscheidend für die Zukunft der Grizzlies: Denn sie konnten an zweiter Stelle ihren Franchise-Player wählen. Mit Ja Morant kam zum einen der Ersatz-Guard für Conley Jr. und zum anderen ein unfassbares Talent, das schon früh Führungsqualitäten demonstrierte. Zusätzlich zum späteren Rookie of the Year erhielten die Grizzlies Brandon Clarke (21. Pick 2019).
Die junge Mannschaft verpasste 2020 zwar knapp die Playoffs, machte aber wieder richtig Spaß. Zumal die Franchise weiter an der eigenen Zukunft arbeitete.

So machte das Front-Office um Zach Kleiman im Sommer 2021 konsequent weiter: Mehrere Trades spülten finanzielle Flexibilität, Talent (Jarrett Culver) sowie Veteran-Leadership und Robustheit (Steven Adams) ins FedExForum. Zudem zogen sie mit Ziaire Williams ein weiteres, vielversprechendes Talent, das sich nun zum jungen Kern um Morant, Melton, Brooks, Clarke, Jackson Jr., Bane und Tillman Sr. gesellt. Flankiert von erfahrenen Profis wie Tyus Jones, Kyle Anderson und dem angesprochenen Adams scheint die Mischung zu stimmen. Wie auch die Zukunft. So ist der junge Kern vertraglich noch mindestens zwei Jahre gebunden: In der Saison 2022/23 stehen elf Spieler für $95 Millionen unter Vertrag – die Grizzlies verfügen dann über Platz unterm Salary Cap und ein eingespieltes Team inklusive zukünftigem Superstar. Der elitäre Pointguard zeigt dabei schon jetzt, dass es ihm weniger um Statistiken, sondern vielmehr ums Gewinnen geht. Immer wieder betonte er: „Whatever the team needs from me, that’s what I do!“ Eine Einstellung, die eine Franchise tragen kann.
Aber auch seine Leistung tut das: Morant führte seine Bären in den ersten Saisonwochen in beeindruckender Manier an. Umso beeindruckender ist, dass die Mannschaft auch ohne ihren Premium-Guard zuletzt neun von zehn Spielen gewonnen hat, was die Kritik an fehlender Substanz und Talentbreite verstummen lässt. Zumal sie mit einer Bilanz von 18-11 Platz 4 der Western-Conference belegen. Auch, weil die jungen Spieler den nächsten Schritt gemacht haben. Dabei darf die gute Arbeit von Headcoach Taylor Jenkins nicht vergessen werden, der das Team seit dem „Neubeginn“ 2019/20 verantwortet.

Die Fans der Pelicans sahen seitdem drei Übungsleiter an der Seitenlinie ihres Teams: Erst Alvin Gentry, danach Stan Van Gundy und nun Green. Auch das ist oftmals ein Anzeichen für grundsätzliche Probleme in einer Franchise. Doch das ist nur Spekulation. Fakt ist: Die New Orleans Pelicans manövrierten sich mit mehreren Entscheidungen von einer sehr guten Ausgangsposition, was den Rebuild betrifft, in eine Sackgasse – wenig Talent in der Breite, kaum finanzielle Flexibilität und ein Standort, der wenig vorteilhaft ist. Was bleibt ist die Hoffnung auf Zion und dessen Gesundheit. 

Die Grizzlies spielen ebenfalls in einem kleinen Markt, haben im Gegensatz zu den Pels allerdings einiges richtig gemacht und begeistern Fans wie Experten. Und daran scheint sich so schnell auch nichts zu ändern.

marcel

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