Five Hundred or Less: Bryon Russell (499 Wörter)

Der 14. Juni 1998 bleibt im kollektiven Basketball-Gedächtnis hängen: Die letzten Sekunden von Spiel 6 der NBA-Finals, als Michael Jordan in Salt Lake City vor 19.911 Zuschauern gegen die Utah Jazz "The Last Shot" zum 87:86 traf und seinen Chicago Bulls den 6. Titel bescherte. Die Bilder gingen um die Welt: Der Crossover, der Jumper und ein strauchelnder Gegenspieler.

Dessen Karriere wird allzu oft auf diese Szene reduziert. Dabei war Bryon Russell weitaus mehr als nur der Verteidiger, der Jordan nicht stoppen konnte. Der 2.01m große 3&D-Flügelspieler war der Prototyp des besten dritten bzw. vierten Mannes eines Contenders der 90er Jahre.

Die Utah Jazz zogen Russell 1993 an 45. Stelle, nachdem er sich während seiner drei Jahre an der Long Beach University einen Namen machte. Am 31. Dezember 1970 in San Bernadino geboren zog er es vor, in Kalifornien zu bleiben und wählte die 49ers, die sein Trikot im Jahr 2010 sogar unter die Hallendecke zogen.
 
Bryon „don’t call me Byron“ Russell war bekannt für seine Härte, sein Ehrgeiz und sein loses Mundwerk. Als Verteidiger widmete er sich stets den Premium-Scorern des Gegners. Offensiv war sein Einfluss jedoch überschaubar. Karrierewerte von 7.9 Punkte und 3.5 Rebounds sind wenig spektakulär. Erwähnenswert ist jedoch, dass sein Playoff-Punkteschnitt bei 9.9 Punkten lag. Insgesamt kann Russell auf 13 NBA-Jahre zurückblicken, in denen er sogar in den Genuss kam, mit Jordan zusammen zu spielen.

Dass es der heutige Vater von drei Kindern überhaupt in die NBA schaffte, war dabei nicht selbstverständlich. Denn das Umfeld, in dem der junge Bryon mit seinen Brüdern Maurice Jr. und Sonye aufwuchs, bot unzählige Möglichkeiten, auf die schiefe Bahn zu geraten – ob in L.A. oder während der Jahre in Chicago. Zumal deren Vater sie und ihre Mutter Norma im Stich ließ, als Russell noch jung war.
Er selbst beschreibt sein Aufwachsen als „best of both worlds“, da er einerseits eifrig lernte und Leistung in der Schule sowie auf dem Court brachte, andererseits aber auch mit Drogendealern und Gangmitgliedern abhing. Deren Welt mit all dem Geld, den Autos und Frauen zog ihn an. Vor allem in Chicago drohte er komplett auf die schiefe Bahn zu geraten – Schlägereien und Diebstähle waren an der Tagesordnung. Gleichzeitig schützten ihn seine zwielichtigen Freunde, indem sie ihn aus noch derberen Situationen raushielten und dazu drängten, sich auf Basketball zu konzentrieren, da er zweifelsohne talentiert war.
Der Turning-Point war die Rückkehr nach L.A., wo er vorerst bei seiner Großmutter wohnte und trotz regelmäßiger Kontakte zur Straße die richtigen Prioritäten setzen konnte.

Heute wohnt der kess-charmante IBL-Champion von 2009  in Kalifornien, unterstützt seinen Sohn Brandon in dessen basketballerischer Entwicklung und ist regelmäßig in Salt Lake City bei etwaigen Charity-Veranstaltungen zu Gast. Denn noch immer ist der stets respektierte Rollenspieler äußerst beliebt bei den Jazz-Fans.

Und Spiel 6? "All the time people ask about Jordan," sagte er dazu. "They say, 'Why'd you let Mike do that?' I didn't let him do nothin'. They ask me if it haunts me. Why would I let it haunt me? It's basketball."

marcel

Fakten: Bryon Russell auf basketball-reference.com

Zitate: "Gettin' out of the 'Hood" / Deseret-News (27.04.2000)

 

Mehr "Five Hundred or Less" > 

Kommentare

Beliebte Posts