Trades, Trades, Trades und der Blick zurück: Raub und eine Eis-Revue am Verhandlungstisch

 

Die ersten Trades der Saison sind bereits in trockenen Tüchern. Ob der Harden-Oladipo-LeVert-Allen-Blockbuster-Trade oder auch kleinere Deals, wie der von gestern Nacht um PJ Tucker. Nicht zu vergessen der von Trevor Ariza zu den Miami Heat mittlerweile das 11. mal, dass der Forward getradet wurde (einsamer Rekord). 

Fakt ist: Es werden weitere Trades folgen, denn jede Franchise ist bemüht, ihren Kader zu verbessern. Zeit haben sie bis zum 25. März 2021 – die diesjährige Trading-Deadline. Bis dahin beschäftigen sich aber nicht nur die Verantwortlichen der 30 NBA-Franchises mit möglichen Trades. Sondern auch die Medien und Fans frequentieren zunehmend sämtliche Trade-Machines (ESPN oder TradeNBA) und präsentieren interessante bis fragwürdige Deals, nur um überhaupt etwas zu präsentieren bzw. die eigenen Wunschvorstellungen seiner Lieblingsfranchise in den Äther zu blasen. Doch nur selten sind solche Trade-Szenarien deckungsgleich mit der Wirklichkeit, die fast ausschließlich hinter verschlossenen Türen ausgehandelt wird. Mitunter erfahren es die betroffenen Spieler auch erst von ihren Agenten, wenn ein Trade fast abgeschlossen ist.

Wer erinnert sich nicht an die Bilder von Harrison Barnes, der auf der Mavs-Bank sitzend von seinem Trade nach Sacramento erfuhr (siehe Titelfoto). Oder die Szene aus der Derrick Rose-Dokumentation (siehe Filmempfehlungen), in der ihm sein Agent vom bevorstehenden Wechsel nach New York berichtet (hier aufyoutube.com zu sehen; 05:01min). Eine wilde Zeit.

MVPs und Schieflagen am Verhandlungstisch

Besonders diese beiden Szenen der jüngeren Vergangenheit verdeutlichen, dass die Interessen der einzelnen Franchises oft über allem anderen stehen. Vergangene Leistungen und Loyalität des Spielers sowie die Liebe der Fans ihm gegenüber – selten sprechen diese Gründe gegen einen Trade, wenn die Verantwortlichen anders planen. Isaiah Thomas oder eben Derrick Rose lassen grüßen.

Derartige Deals tun in der Fan-Seele weh, doch neu sind sie nicht. Ein Blick zurück zeigt, dass zum Beispiel die Houston Rockets ihren MVP Moses Malone 1982 abgaben, weil den neuen Besitzern dessen Gehaltsforderungen zu hoch waren. Es folgte ein Sign-And-Trade mit den Sixers, die für ihn Caldwell Jones sowie einen Pick nach Texas schickten und anschließend Meister wurden – mit dem League- sowie Finals-MVP Moses Malone. Dabei war Big Mo nicht der erste amtierende MVP, der seine Koffer packen musste bzw. konnte. Das durfte Wilt Chamberlain im Jahr 1968. Der Big Dipper sehnte sich nach mehr Glamour und Promi-Lifestyle, sodass er einen Trade zu den Lakers forcierte. Nach dessen Kapriolen gaben die Sixers schlussendlich nach und schickten den Superstar, der zwischen Philadelphia und New York pendelte, für Darrall Imhoff, Jerry Chambers und Archie Clark nach Hollywood. 

An diesem Beispiel zeigt sich neben der Tatsache, dass auch MVPs nicht untradebar sind, ein kompliziertes Verhältnis zwischen Franchises und Spielern. Denn auch die Profis können mitunter fragwürdige Figuren im Wechseltheater sein. Dafür braucht es nicht einmal einen Fat-Suit bzw. Lustlos-Auftritte oder einen kompletten Abbruch der Kommunikation – James Harden und Kawhi Leonard machten in der öffentlichen Wahrnehmung nicht den seriösesten Eindruck. Dass ihre forcierten Wechsel den neuen Teams mehr halfen als ihren alten, die sie mit ihrem Verhalten zum Handeln gezwungen hatten, ist bekannt. Allerdings sind weder die Spurs noch die Rockets ein Scherbenhaufen – heute nicht und auch nicht in naher Zukunft. 

Den hinterließ eher Steve Francis im Jahr 1999. Frisch von den Vancouver Grizzlies an zweiter Stelle gezogen weigerte sich der junge Guard, in Kanada zu spielen. Die dortigen Verantwortlichen sahen sich gezwungen, ihn nach Houston zu traden – heraus kam ein Gegenwert, der die Grizzlies weiterhin nicht gewinnen ließ, um es milde auszudrücken: Antoine Carr, Michael Dickerson, Othella Harrington und Brent Price sowie ein Pick, der in Marcus Banks mündete.

Auch hier ging es am Ende eher darum, überhaupt einen Gegenwert zu erhalten. Und natürlich gibt es wesentlich bessere Trades in der NBA-Historie, aber eben auch schlechtere. Dies ist allerdings immer eine Frage der Perspektive. Die Sixers beispielsweise kennen beide Seiten, schaut man sich allein die eben genannten MVP-Trades an.

Oftmals fühlen sich getätigte Deals in der jeweiligen Situation richtig an. Selbst wenn es derartige Schieflagen am Verhandlungstisch gibt. Denn jede Franchise hat ihre Gründe, einen bzw. mehrere Spieler abzugeben. Und sei es, um wieder Ruhe in die Kabine und dafür zumindest etwas Gegenwert zu bekommen. Ähnliches gilt, wenn Spieler im letzten Vertragsjahr sind und nicht daran denken, zu verlängern. Dann bist du als Verantwortlicher gezwungen, zu handeln. Nur sehr selten bekommt man dabei einen derartigen Gegenwert, wie die Denver Nuggets im Jahr 2011: Carmelo Anthony befand sich im besagten Vertragsjahr und wollte unbedingt in den Big Apple, unverzüglich. Und die Knicks waren schon damals die Knicks – denn sie warteten nicht bis zur Offseason und schickten für den Hometown-Hero stattdessen Wilson Chandler, Danilo Gallinari, Raymond Felton und Timofey Mozgov sowie einige Picks nach Denver. 

Wie in diesem Fall zeigt sich oft erst später, welche Franchise einen Trade gewonnen hat. Ist es diejenige, die den besten Spieler des Trades erhalten hat oder doch die Franchise, die mit Picks, jungen Talenten und/oder auslaufenden Verträgen entlohnt wurde?

Ein weiteres Beispiel für die bereits erwähnte Schieflage und den Druck am Verhandlungstisch ist der Wechsel von Kevin Garnett nach Boston im Jahr 2007. Ein Wechsel, der nach wie vor den Rekord für die Anzahl der Spieler hält, die im Tausch für einen einzigen die Koffer packen mussten. Neben Al Jefferson, Ryan Gomes, Sebastian Telfair, Gerald Green und Theo Ratliff wechselten zwei Picks nach Minnesota, die in Jonny Flynn und Wayne Ellington mündeten. Gewinner des Trades? Die Meister von 2008.

Eklatanter ist da noch die Schieflage des Trades zwischen den Suns und Sixers von 1992, der gar als Raub bezeichnet wurde: Der Rüpel Charles Barkley wurde von entnervten Sixers für Jeff Hornacek, Tim Perry und Andrew Lang nach Phoenix geschickt, avancierte dort zum MVP und führte die Suns in die Finals. Und die Sixers hatten ihre Ruhe inklusive sieben weitere Jahre ohne Playoffs.

Gewinner auf allen Seiten

Trades, die in der Rückschau mit dem Etikett Win-Win eingestuft werden können, sind dagegen rar. Gewagt aber nicht fälschlicherweise könnte man hierfür den Pelicans-Lakers-Trade aus dem Jahr 2019 anführen. Der wechselwillige Anthony Davis brachte zusammen mit LeBron James sofort den Titel nach Los Angeles und in New Orleans vollzog sich ein Rebuild in Rekordgeschwindigkeit. Mit dem Number-One-Pick Zion Williamson und den aus L.A. gekommenen Brandon Ingram, Lonzo Ball und Josh Hart sowie weiteren Picks kann man im Big Easy positiv in die Zukunft schauen, zumal sich auch der kritisch beäugte Spielmacher mittlerweile zu einem guten NBA-Spieler entwickelt hat. Endgültig bewerten kann man den Trade wohl aber erst in ein paar Jahren.

Ein Trade aus den Neunzigern ist aus heutiger Perspektive schon mit dem Win-Win-Etikett zu versehen: Die Miami Heat schickten ihren Star Glen Rice sowie Rollenspieler und einen Erstrundenpick nach Charlotte für den 25jährigen Allstar-Center Alonzo Mourning, der in North Carolina eine Vertragsverlängerung ablehnte. Stattdessen wurde er in Miami zur Legende, zum Meister und Hall of Famer. Aber auch die Hornets machten aus der Situation das Beste und bekamen einen Glen Rice, der bei ihnen die besten drei Jahre seiner Karriere inklusive Allstar-Nominierungen hatte.

Geht man noch weiter zurück, kann man noch den Trade zwischen den Bulls und Knicks anführen. Der Draft-Day-Trade brachte 1988 Charles Oakley für Bill Cartwright nach New York. Hintergrund war, dass die Bulls zuvor Horace Grant und die Knicks Patrick Ewing zogen und beide in ihren jeweiligen Teams eine größere Rolle erhalten sollten – das gelang durch den Trade, da beide Mannschaften besser passendere Spieler erhielten.

Inwiefern es tatsächlich eindeutige Win-Win-Trades gab, hängt natürlich auch von verschiedenen Lesarten ab. Es bleibt wohl eher dabei, dass meist eine Franchise als Gewinner eines Deals hervorgeht.

„What if“s en masse

Die bisherigen Beispiele zeigen auch, dass Verantwortliche sehenden Auges den Verlust ihrer Stars in Kauf nehmen. Gründe gibt es zuhauf. Und bestenfalls relativiert der Gegenwert den Abgang etwas. Viele Trades sind aber auch getätigt worden, ohne wirklich abschätzen zu können, welchen Wert ein Spieler hat bzw. haben wird. Die Rede ist von den Draft-Day-Trades.

Hierbei ist u.a. der Trade zwischen den Hornets und Lakers von 1996 zu nennen, der den frisch gedrafteten Kobe Bryant (13.Pick) für Vlade Divac nach Los Angeles brachte. Oder den von 1993 zwischen Golden State und Orlando, bei dem Chris Webber (1.Pick) und Penny Hardaway (3.Pick) sowie drei Erstrundenpicks getauscht wurden – wohl auf den Wunsch von Shaquille O’Neal hin, der sich einen Guard an seiner Seite wünschte. Die Magic konnten darauf hin eines der spannendsten Duos der Neunziger auf’s Hartholz schicken – inklusive Finalteilnahme 1995. Und die Dubs? Die hatten in Webber den Rookie of the Year, der jedoch schon ein Jahr später aufgrund von Problemen mit Don Nelson für Tom Gugliotta und drei Erstrundenpicks nach Washington wechselte.

Noch mehr geärgert haben dürften sich im Nachhinein die Rochester Royals (heute Sacramento Kings) und St. Louis Hawks (heute Atlanta Hawks). Im Jahr 1956 durften beide Teams an erster und zweiter Stelle draften. Die Celtics unter Red Auerbach schickten im ersten Schritt Ed Macauley und Cliff Hagan für die Draftrechte an Bill Russell nach St. Louis. Allerdings hatten die Hawks nur den 2.Pick. Um zu verhindern, dass die Royals den Center an erster Stelle zogen, versprach Celtics-Besitzer Walter Brown anschließend dem Eigner der Royals, dass seine beliebte Eis-Revue „Ice Capades“, die er ebenfalls besaß, für mehrere, lukrative Shows nach Rochester kommen würde. Ein Angebot, dass Sihugo Green zum Number-One-Pick der Royals und die Celtics nachhaltig erfolgreich machte, denn der Rest ist unfassbare NBA-Geschichte.

Neben den Draft-Day-Trades im Blindflug, räuberischen Blockbuster-Deals oder Win-Win-Trades lässt sich noch eine letzte Variante erwähnen: Den Mein-Problem-für-dein-Problem-Trade. Die finden sich in jüngerer Vergangenheit aufgrund der hohen Verträge immer öfter. Als Franchise in einer Sackgasse feststeckend half es mitunter, den schier untradebaren Spieler gegen einen anderen, ähnlichen Kalibers zu tauschen. Bestenfalls sorgte der Tapetenwechsel für einen Aufschwung bei den getauschten Spielern, wie wohl bei John Wall und Russell Westbrook. Es bleibt aber eher die Ausnahme.

Was jedoch die Regel zu sein scheint ist die Tatsache, dass jeder Trade aber auch Nicht-Trade von einem großen „what if“ garniert wurde bzw. wird. Was wäre zum Beispiel gewesen, wenn Chris Paul doch zu den Lakers gegangen wäre? Oder die Knicks einfach gewartet und Anthony als Free-Agent verpflichtet hätten? Oder die Thunder James Harden nicht nach Houston gehen ließen? Oder ganz aktuell die Celtics Al Horford bzw. die Blazers LaMarcus Aldridge zurückholen? 

Die nächste Woj-Bomb wird kommen und hinterher sind wir schlauer. Meistens zumindest.

marcel

 

Titelfoto: © Ryan Michalesko / Staff Photographer I Artikelfoto: © David Sherman/Getty Images

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