Die Sixers vor der Trade-Deadline 2021
(Der Text erschien vorab hier: nbachef - Die Sixers vor der Trade-Deadline 2021)
Willkommen in der Stadt der brüderlichen
Liebe. Das hieß es vor der Saison für Daryl Morey und Doc Rivers. Der
streitbare President of Basketball-Operations und der angesehene
Meistertrainer von 2008 sollten die Sixers nach sieben Jahren unter
Brett Brown und mitunter bitteren Playoff-Niederlagen – unvergessen
Leonards „The Shot“ – weiter bringen als nur in die Conference-Finals.
Die
neuen Verantwortlichen fanden bei der Traditionsfranchise einen
elitären Kern um Joel Embiid, Ben Simmons und Tobias Harris vor. Dazu
gesellten sich neben den Veteranen Josh Richardson und Al Horford junge
sowie talentierte Rollenspieler und Zweitjahresprofis wie Shake Milton,
Furkan Korkmaz oder Matisse Thybulle.
Was
es brauchte, war mit Blick auf den Kader offensichtlich – es brauchte
Shooting und Leadership. Mit den Verpflichtungen von Danny Green und
Seth Curry gelang es, genau diese Planstellen zu beheben. Zudem konnte
man mit Dwight Howard einen veritablen Backup für Joel Embiid
verpflichten. Ergänzt durch u.a. Tony Bradley und Rookie Tyrese Maxey
stand nach den verschmerzbaren Abgängen von Horford und Richardson ein
Kader, der im Vergleich zum Vorjahr harmonischer wirkte.
Zudem
hatte man mit Doc Rivers nun einen Übungsleiter, der einerseits hinter
der oft kritisierten Paarung Embiid-Simmons stand und andererseits
Tobias Harris schon in Los Angeles zu Karrierebestwerten coachte. Dass
Sam Cassell ebenfalls zum Trainerteam stieß, rundete die
Saisonvorbereitung der Sixers ab – der dreifache Meister und einstige
Premiumguard arbeitete von nun an mit Ben Simmons intensiv an seinem
Spiel.
Entscheidend
für eine erfolgreiche Sixers-Saison war und bleibt jedoch Joel Embiid –
ist er fit und motiviert, kann er konstant dominieren? Fragen, die
schnell mit „ja“ beantwortet werden konnten. Denn der Saisonstart wirkte
vielversprechend. Bis Anfang Januar gewann Philadelphia sieben seiner
ersten acht Spiele und der mittlerweile 27-Jährige Kameruner spielte
sich früh in die MVP-Konversation.
Die
drei folgenden Niederlagen warfen jedoch erste Fragen auf: Ist der
wenig aggressive Ben Simmons noch tragbar? Und der Kader – ist der tief
genug? Die ersten Tradegerüchte kamen auf. Vor allem der wechselwillige
Harden rückte für viele Fans und Medienvertreter in den Fokus – auch,
weil dessen ehemaliger Vorgesetzte nun in Philadelphia residiert.
Dass
der Elitescorer letztlich nach Brooklyn wechselte, hatte offenbar auch
mit der Weigerung Moreys zu tun, die von Houston geforderten Simmons,
Thybulle, Maxey und multiplen Firstrounder nach Texas zu schicken – er
entschied gemeinsam mit Rivers, dessen Faible für das Team verbrieft
ist, keine Tiefe, defensive Agilität, Teamgeist und Zukunft zu opfern.
Eine
Entscheidung, die sich positiv auswirken sollte: Das Team fand immer
besser zusammen und erspielte sich bis zum Allstar-Break die beste
Bilanz im Osten (24-12). Auch der oft kritisierte Ben Simmons spürte das
Vertrauen des Trainers, der immer wieder seinen Wert abseits der
Statistiken (16.1 Punkte, 7.9 Rebounds, 7.6 Assists sowie 1.6 Steals)
hervorhob.
Es
zeigte sich aber auch, dass die 76ers ohne ihren MVP-kalibrigen Center
Probleme hatten, zu gewinnen (1-5). Zudem war die Bank der Sixers kaum
ein Faktor (57.7 Punkte im Schnitt) und die Quoten von außen waren
ebenfalls ausbaufähig (36.5%).
Nach
dem Allstar-Game zeigte sich ein anderes Bild. Embiid, der nach wie vor
dominierte (29.9 Punkte, 11.5 Rebounds), verletzte sich nach nur einem
Spiel schwer und fehlt den Sixers seitdem. Doch offenbar tat die
mehrtägige Pause der Mannschaft gut. Denn diesmal gewinnen die Sixers
auch ohne ihre Nummer 21 (6-1).
Neben
den Quoten von draußen (39.5%) stieg auch die Unterstützung von der
Bank (67.2 Punkte pro Spiel). Und Tobias Harris? Der spielt eine
Premium-Saison mit 20.8 Punkten bei Sahnequoten (50.8%FG, 41.3% Dreier,
89.4%FT). Dass er nicht der dritte Allstar der Sixers wurde, ärgerte den
28-Jährigen sehr. "He took that personally" - Harris führt die
Mannschaft in Abwesenheit von Embiid auch in engen Spielen sowie in der
Crunchtime mit offensiver Vielseitigkeit und starker Verteidigung an.
Letzteres
ist ohnehin die große Stärke des Teams – neben DPoY-Kandidat Simmons
kann Rivers in Embiid, Green, Harris, Howard und Thybulle auf
überdurchschnittliche Verteidiger bauen, sodass die Sixers das
zweitbeste Defensivrating der Liga ihr eigen nennen können.
Eine
Nacht vor der Trading-Deadline stehen die Sixers noch immer auf Platz 1
im Osten (31-13) und wirken noch gefestigter, gewinnen auch die
knappen, dreckigen Spiele und können optimistisch in die nächsten Wochen
gehen – auch ohne ihren Starcenter.
Trotzdem
ranken sich auch um die Sixers Tradegerüchte. Und das hat trotz der
guten Saison bisher seine Gründe. Zum Beispiel treffen sie ihre Dreier
zwar gut (13. ligaweit), drücken dafür aber viel zu selten von Downtown
ab (28.). Generell wirkt die Offensive etwas gebremst (13. im
Offensivrating) und phasenweise braucht es Einzelaktionen, um zu punkten
(22. bei den Assists).
Das
hängt auch mit dem fehlenden Playmaking zusammen – vor allem, wenn Ben
Simmons auf der Bank Platz nimmt. Der Australier ist bekannt dafür,
seine Nebenleute und offene Dreierschützen zu bedienen – es sind ca. 4
Assists pro Spiel.
Die
Bankspieler sind dagegen kaum in der Lage, sich eigene Würfe bzw. für
die Mitspieler zu kreieren. Daher wundert es nicht, dass die Sixers nach
einem zweiten Spielmacher fahnden, zumal Tyrese Maxey – so gut der
Rookie auch agiert (7.5 Punkte, 1.6 Assists in 15.2 Minuten) – noch
nicht in der Lage ist, die zweite Reihe anzuführen.
Für
die Regular-Season scheint der derzeitige Kader zu genügen, in den
Playoffs braucht es aber mehr – vor allem beim Playmaking. Auf dem Radar
sind demnach George Hill von den Thunder, Lonzo Ball von den Pelicans
sowie Kyle Lowry. Letzterer wird am Deadline-Day bereits 35 Jahre alt
und gilt dennoch als Wunschkandidat vieler Sixers-Fans, da der
Meisterschafts-Pointguard von 2019 aus Philadelphia stammt und zwei
Jahre für die örtliche Villanova Universität spielte. Allerdings ist
sein auslaufender Vertrag ($30 Millionen) eine beachtliche Hürde.
So gut sich der mögliche Tradechip Danny Green auch präsentiert
hat, einen Spielertyp wie Kyle Lowry haben die Sixers nicht: Einen
erfahrenen Anführer und robusten, teamdienlichen Spielmacher in
Personalunion, der nach wie vor produktiv wie effizient ist (17.4 Punkte
bei 39.5% Dreier und 7.5 Assists pro Siel). Zumal sie davon ausgehen
können, dass er nach Vertragsende in seiner Heimat bleibt, wo die
Chancen auf einen weiteren Ring groß sind.
Kommt
Lowry nach Philly, verändert sich das gesamte Konstrukt zum Positiven.
Denn mit ihm und Simmons im Team stünde immer mindestens ein elitärer
Playmaker auf dem Hartholz, ohne defensive Agilität zu opfern. Und
Green? Der könnte spielerisch von Matisse Thybulle (nach dem
Allstar-Break: 47.6% Dreier, 2 Steals, 1.3 Blocks in 21.5 Minuten pro
Partie) ersetzt werden.
In
die ähnliche Kerbe schlägt das Tradeziel George Hill, wobei der weniger
Playmaker und weniger elitär ist. Dennoch würde auch Hill den Sixers
helfen – allerdings eher als reiner Backup. Vorteil ist, dass Morey
nicht ansatzweise so viel Gegenwert generieren muss. Allerdings braucht
es hier ein drittes Team, da Green, Ferguson und Poirier nicht zurück
getradet werden können.
Lonzo
Ball soll ebenfalls in den Fokus der Sixers gerückt sein. Der Guard
spielt eine gute Saison im Big Easy (14.2 Punkte und 5.6 Assists pro
Spiel bei 38.5% von Downtown) und ist deshalb für viele Teams
interessant – dass sein Vertrag ($11 Millionen) nach der Saison ausläuft
und er anschließend bezahlt werden möchte ($20+ Millionen soll
Papa-Ball aufgerufen haben), garniert einen Trade für ihn mit gewissem
Risiko.
Auch
sein Teamkollege und Ex-Sixer JJ Redick schien ein möglicher Kandidat
in Philadelphia zu sein. Allerdings ist hier die Frage, ob bei dessen
auslaufenden Vertrag ($13 Millionen) ein Trade Sinn ergibt oder ob man
im Nordosten auf einen Buyout hofft. Letzteres scheint offensichtlich zu
sein, nur zieht es den Edelschützen wohl eher nach Brooklyn, wo seine
Familie wohnt und die Chance auf einen Ring nicht kleiner ist.
Vielleicht
orientieren sich Morey und Rivers in eine gänzlich andere Richtung. So
rutschte mehrfach Norman Powell von den Raptors oder Buddy Hield von den
Kings in die medialen Trade-Machines – hierbei scheint die Stoßrichtung
klar zu sein: Scoring. Denn das haben beide im Portfolio stehen.
Unabhängig
von möglichen Trades: Wenn es um kostengünstige Verstärkungen nach den
Buyouts geht, werden die Sixers wohl ebenfalls in der Schlange stehen –
wie so viele andere Teams. Und dann heißt es wieder: Willkommen in der
Stadt der brüderlichen Liebe! Für wen? Das wird uns Woj zeitnah
verraten.
marcel (redaktionell überarbeitet von seb dumitru)
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